X: Das Social Media Netzwerk, das mal als Twitter bekannt war

Twitter wird zu X. Das ist die nächste Runde – oder auch die finale Runde – im Drama um Twitter: Zumindest der Name Twitter wurde nun getilgt. Die Domain twitter.com funktioniert noch. Wer „x.com“ in die Adresszeile des Browsers eingibt, wird zur Zeit zu twitter.com weitergeleitet. Das funktioniert auch mit einem Twitter-Namen nach dem Slash.

Twitter X: Die Umbenennung läuft. Die Domain twitter.com ist noch aktiv. Das Logo besteht nun aus einem "X"
Twitter wird zu X

Verschwunden ist damit jetzt auch der blaue Vogel als Teil eines Logos.

Die Fachwelt spekuliert nun über die Gründe, die Pläne und die neuen Ziele des X-Inhabers Elon Musk. Ganz augenfällig passt „X“ zu „SpaceX“. Man sagt überhaupt, Musk steht auf den Buchstaben „X“: X Incorporated mit der Domain x.com war einst eine Holding für eine Bank, aus der später PayPal hervorging – gegründet von Musk 1999. Die Domain hat Musk behalten. Jetzt kommt sie in großem Stil wieder zum Einsatz.

Mit der neuen Identität scheint es auch darum zu gehen, die Plattform featuremäßig zu erweitern. Es sollen mehr Inhaltstypen sichtbar werden, also mehr Video, mehr Audio. Bezahlvorgänge sollen möglich werden und überhaupt mehr Interaktivität stattfinden. Das könnte man aus einem Tweet der neuen Marketingchefin von „X“ ableiten:

Klingt wie „eine App für alles“, vergleichbar mit WeChat von Tencent in China. Mehr über WeChat auf der Seite des Anbieters Tencent.

Vorbild WeChat?

Wenn WeChat tatsächlich das Vorbild ist, dann bietet „X“ demnächst neben Textnachrichten auch Anrufe zwischen Benutzern. Es soll möglich werden, Waren und Dienstleistungen darüber zu kaufen, Rechnungen zu begleichen, Geld zu transferieren, QR Codes zu scannen (was in China wohl sehr beliebt ist), Termine mit Ärzten zu vereinbaren, Essen zu bestellen, Reisen zu buchen, Behördenangelegenheiten zu erledigen… In China kann ein User mit WeChat auch ein Visum für die USA beantragen.

Spannend zu sehen ist nun, inwieweit das Umsteuern und Neuausrichten gelingen. Man kann diesen Umbenennungsschritt so deuten als dass es zunächst einfach nur darum ginge, das negative Image und wie wirtschaftlichen Probleme hinter sich zu lassen.

Einer der größten Kritiker von Elon Musk, Scott Galloway, warnte schon vor langer Zeit vor der Übernahme von Twitter durch Musik.

„Never meet your heros“

Für Musk, so Galloway, ist die Twitter-Übernahme durch Elon Musk keine Erfolgsgeschichte, sondern, der „zweitschlechteste“ Deal der Geschichte. Ohne Twitter wäre Musk heute der unumstrittene Messias einer ganzen Generation, meint er.

Auch andere Marktbeobachter fragen sich, welchen Sinn eine Übernahme für 40 Milliarden Dollar haben kann, wenn man nun auch die Marke wegwirft. Es bleibt die Nutzerschaft. Legt man die 44 Milliarden Dollar auf die etwa 436 Millionen aktiven Nutzer pro Monat um, hätte Musk für jeden Nutzer um die 100 Dollar bezahlt.

Solche Zahlen versteht man nur, wenn Abo-Premiumdienste übernommen oder fusioniert werden. Dann wird ein aktiver Kunde auch mal mit 100 bis 200 Dollar bewertet. Die allermeisten Twitter-Nutzer und -Nutzerinnen zahlen nichts, sind zunächst nur über Werbung aktivierbar – blauer Haken hin oder her. Aber vielleicht steckt dahinter das Kalkül, die große Nutzerbasis als Launchbasis für viele weitere kostenpflichtige Services nutzen zu können.

Ist oder war Twitter überhaupt relevant?

Twitter ist – besser war – in Deutschland zwar nicht so verbreitet wie in einigen anderen Ländern, wie z.B. den USA, aber es hat dennoch eine wichtige Rolle in der digitalen Kommunikationslandschaft gehabt. Man schätzt dass um die 8 bis 14 Millionen Internetznutzer in Deutschland mit Twitter erreicht werden konnten. Das lag 2022 hinter Facebook, Instagram, Xing, Pinterest, TikTok, Reddit, Linkedin (Quelle: OneToOne).

Trotz allem darf man nicht vergessen, dass Twitter stets auch gut war, wenn es darum ging, Prominente, Zeitzeugen, Meinungsträger oder Politiker in Form von Embeds zu zitieren. Als Vorteile der Plattform wurde gesehen, dass viele Unternehmen Twitter aktiv nutzten, um mit Kunden zu kommunizieren. Die Nutzerschaft selbst war – und das gilt explizit für Deutschland – im Kern jung und formal hoch gebildet (Quelle: ARD ZDF Onlinestudie 2022). Werbekunden mögen das an sich.

Zuletzt hatte Twitter immer wieder Services abgebaut: Die Zahl der Zugriffe pro Session wurde limitiert, APIs abgeschaltet. Das hatte auch zur Folge, dass WordPress/Automattic (mit Jetpack) das Sharing-Feature zu Twitter abschalten musste.

Markteintrittsbarrieren für X

Fraglich ist, wie eventuelle Zusatzfunktionen wie Payment in hochregulierten Umfeldern wie in Deutschland und Europa in ein Nachfolgeprodukt integriert werden können, ohne in Fremdgebühren und Datenschutzregelungen zu ersticken. Meist geht dies nur, wenn sich die Anbieter einen Zahlungsdienstleister oder Kreditkartenanbieter ins Boot holen, der ohnehin schon global aufgestellt ist, dann aber auch eine entsprechende Marktmacht mitbringt. Es ging einst das Gerücht, das Binance eine Rolle spielen könnte.

Das World Wide Web ist in China ist stark reguliert und unterscheidet sich in einigen wesentlichen Punkten von dem, was die meisten Menschen in westlichen Ländern gewohnt sind. Das hat Anwendungen wie WeChat und auch WeChat Pay beflügelt.

Die chinesische Regierung blockiert eine Vielzahl von ausländischen Websites, darunter viele westliche Social-Media-Plattformen und Nachrichten-Websites wie Facebook, Twitter und Google. China hat seine eigenen Alternativen entwickelt, die sehr beliebt und weit verbreitet sind. Zu diesen gehört eben auch WeChat.

Darüber hinaus ist der Zugang zum Internet in China stark von mobilen Geräten abhängig, da viele Menschen in China das Internet hauptsächlich über ihre Smartphones nutzen.

Fazit

Auch wenn Twitter in Deutschland nie die Nummer 1 der sozialen Netzwerke war, bleibt zweierlei zu hoffen:

  1. Threads wird erfolgreich, bietet eine ernstzunehmende Alternative und übernimmt die Rolle von Twitter. Voraussetzung ist, es wird auch in Deutschland und Europa ausgerollt.
  2. X wird trotz aller Bedenken und Vorbehalte und der unklaren Ausrichtung zu einem modernen Nachfolger für Twitter, auf dem man wenigstens wieder werben kann.

Sicherlich würde die Welt an sich nicht ärmer, wenn man auf ein weiteres allgemeines Social Network verzichten müsste.

Dennoch kann man als Webseitenbetreiber durchaus dankbar dafür sein, dass man Inhalte der eigenen Website bisher so gut (und ohne Zusatzkosten) auf Twitter posten konnte, ähnlich wie bei Facebook, selbst wenn die Sichtbarkeit allein der Kontrolle des Netzwerks unterliegt (Instagram lässt keine Links in Beiträgen zu, nur in der Bio). Das Posten schafft – wenn’s gut läuft – Reichweite, Zugriffe auf eigene Contents und Klicks, die zu Leads oder Sales werden können.

Der Vorteil von solchen sozialen Netzwerken ist, dass sie von unterhaltungsorientierten Usern besucht werden, die nie eine entsprechende Sucheingabe formulieren würden. So kommen diese Zielgruppen über die Social-Media-Timeline mit der Marke in Berührung kommen und klicken gegebenenfalls auf die eigene Website durch.

Eine Antwort auf „X: Das Social Media Netzwerk, das mal als Twitter bekannt war“

  1. Elon Musk ist sicherlich die am geheimnisvollste Person, die im Sichtbaren agiert im digitalen Universum. Er hat schon ein wenig frischen Wind in diese Form einer möglichen Welt gebracht. Seine überragende Intelligenz ist sein Kapital. Man weiß nie, was er so ausheckt. Aber das, was er umsetzt, ist von erstaunlichem Erfolg begleitet.
    Ich bin mir sehr sicher, dass alle Schritte bei der Reformierung Twitters wohldurchdacht sind und er konsequent seine Visionen Stück für Stück umsetzt. Und das in einer Form, die für den äußerlichen Zwilling des Flachbildschirms (allgemeines Bildnis) nicht sofort ersichtlich ist. Das macht die Sache für den heimlichen Beobachter umso spannender. Diese regelmäßigen begleitenden digitalen Geräusche, die alles herbeitönen, was man über digitale Phänomene denken soll (Wirklichkeit statt Wahrheit), lenkt nicht jeden ab.
    Musk ist unberechenbar in jeglicher Hinsicht. Aber er hat Twitter vom alten Muff, der sich zunehmend festgesetzt hat, konsequent befreit.

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