WordCamp Europe 2025: Zwischen globaler Verantwortung und technologischer Reife

Einblicke, Anekdoten und Perspektiven

Das WordCamp Europe 2025 war weit mehr als eine Technologie-Konferenz – es war ein internationales Gipfeltreffen der Ideen, Perspektiven und Visionen, bei dem sich über 2.000 Teilnehmende aus 84 Ländern versammelt haben.

Die Atmosphäre war elektrisierend, geprägt von Begegnungen, weit über technische Detailfragen hinaus. Es ging um die Sinnhaftigkeit und die Reife der globalen WordPress-Community.

Für uns im Productmanagement von goneo ist der Blick auf die strategische Entwicklung der WordPress-Landschaft ebenso relevant wie die konkreten Anwendungsfälle, mit denen du und andere Kundinnen und Kunden tagtäglich arbeiten.

Unser Ziel ist es, nicht nur Infrastruktur bereitzustellen, sondern vor allem den Dialog mit dir zu suchen. Darum möchten wir dir hier die wichtigsten Eindrücke, Geschichten und Erkenntnisse der Konferenz weitergeben – und wir sind gespannt: Wie nutzt du WordPress? Mit welchen Herausforderungen hast du zu tun? Was wünschst du dir für die Zukunft?

WordPress – Von der Publishing-Plattform zur globalen Infrastruktur mit Sinn

Reifeprozesse auf allen Ebenen

Das WordCamp Europe 2025 stand unter einem überlagernden Leitmotiv: Maturity and Purpose – Reife und Sinnhaftigkeit (offizielle Website).

Heute ist WordPress weit mehr als ein bloßes Content Management System. Die zentrale Erkenntnis aller Vorträge: WordPress ist als technologische Grundlage und gesellschaftliches Instrument zu einer kritischen Infrastruktur für Regierungen, Unternehmen, NGOs und die Zivilgesellschaft gereift. Wie wir gehört haben, migriert das europäische Kernforschungszentrum CERN gerade von Drupal auf WordPress.

Es gibt drei Bereiche, in denen diese Reife besonders deutlich wird:

  • Technologische Reife: Hochgradig skalierbare, sichere und performante Lösungen entstehen immer häufiger für Enterprise-Kunden wie Banken oder internationale Medienhäuser.
  • Prozessuale Reife: Die WordPress-Entwicklung professionalisiert sich weiter – mit immer besseren Tools, Routinen und klaren Strukturen.
  • Community-Reife: Die Reflexion über Zweck und Wirkung der Open-Source-Software steht heute stärker im Fokus, auch und gerade über kommerzielle Interessen hinaus.

1. WordPress als Werkzeug mit globaler Verantwortung

Die globale Bedeutung von WordPress wurde auf dem WordCamp durch verschiedene Keynotes besonders eindrucksvoll erlebbar.

WordPress ohne Grenzen: Hoffnung in der Krise

Noel Tock, ein Vertreter von Humanmade, zeigte in seinem Vortrag „WordPress without Borders“, wie sich WordPress in Krisengebieten bewährt. Während proprietäre Plattformen wie „Buy Me a Coffee“ oder Patreon ukrainische Organisationen zeitweise ausschlossen, wurden Projekte wie East SOS oder Superhumans durch WordPress erst handlungsfähig. Open Source zeigte sich damit einmal mehr als zensurresistente, demokratische Infrastruktur – besonders in kritischen Zeiten eine unverzichtbare Ressource.

Infrastruktur der Hoffnung

Petya Raykovska zeigte anhand zahlreicher Projekte in Bulgarien, wie WordPress das Rückgrat der Zivilgesellschaft bildet: Die Association of European Journalists kämpft gegen Desinformation, der Anti-Corruption Fund deckt Korruption auf, der Bulgarian Fund for Women stärkt zivilen Diskurs und Gleichstellung. Hier ist WordPress nicht bloß Werkzeug, sondern eine „Infrastruktur der Hoffnung“ – ein Gedanke, der uns sehr beeindruckt hat.

Nachhaltigkeit: Verantwortung auch für das Klima

Charlotte Bax fügte mit ihrem Vortrag zum Thema Nachhaltigkeit eine weitere Dimension der Verantwortung hinzu. Wusstest Du, dass die IKT-Branche bereits rund 10 % des weltweiten Energieverbrauchs ausmacht? Mit praxisnahen Tools und Empfehlungen zeigte Charlotte, wie schon kleine Optimierungen – etwa beim Bildermanagement oder durch gezieltes Refactoring – den CO2-Fußabdruck einer Website deutlich reduzieren können.

2. Professionalisierung: Entwicklung, Automatisierung und Qualitätssicherung

Auch effiziente Arbeitsprozesse, Qualitätsmanagement und Automatisierung waren zentrale Themen.

Content-First und Design-Systeme

Ash Shaw betonte die Bedeutung eines „Content-First“-Ansatzes. Von Anfang an sollten Design und Entwicklung auf klar festgelegten Grundlagen (Tokens, Komponenten) basieren. So wird die Qualität des Endprodukts direkt gesteigert und vermeidbare Reibungsverluste werden reduziert.

QA ist Teamsache – und mehr!

Miriam Roskind von Elementor erklärte, dass Qualitätssicherung nicht mehr nur eine Aufgabe einzelner ist: Das ganze Team trägt die Verantwortung. Ihr Vergleich aus dem Privatleben zeigte das mit einem Augenzwinkern: Sie organisiert jedes Familienessen mit mehreren Excel-Reitern und stattet sogar die Hausarbeiten der Kinder mit Checklisten aus – QA kann eben auch das Familienleben bereichern.

Automatisierung und KI für mehr Sorglosigkeit

Marcel Tannnich begeisterte mit neuen Visionen zur Automatisierung: Bald sollen WP-CLI und ausgeklügelte KI-Agenten WordPress-Instanzen vollautomatisch aufsetzen, Inhalte pflegen und sogar Fehler selbstständig beheben. Manuelle, fehleranfällige Arbeit könnte damit erheblich weiter abnehmen – ein echter Innovationsschub, besonders für Agenturen und Betreiber komplexer Multi-Site-Systeme.

Block-Architektur neu gedacht

Robert O’Rourke stellte die Frage in den Raum, ob wirklich für jede neue Funktion ein eigener Custom Block notwendig ist. Seine Empfehlung: Bestehende Core-Blöcke geschickt kombinieren und mit Block Patterns und Filtern gezielt erweitern – das erhöht die Wartbarkeit und Flexibilität.

3. WordPress im Enterprise-Einsatz: Praxiserfahrungen großer Unternehmen

Zwei Fallstudien sorgten für Aufmerksamkeit und bewiesen, dass WordPress endgültig im Enterprise-Bereich angekommen ist.

Standard Chartered: Eine Bank setzt auf WordPress

Tom Wilmot und Jon Ang zeigten eindrucksvoll, wie der Bankenriese Standard Chartered heute über 150 Websites in 60 Ländern mit WordPress steuert. Das CMS besteht hier den höchsten Ansprüchen an Governance, Sicherheit und internationale Skalierbarkeit – ein überzeugender Beweis für Open Source auf Top-Niveau.

Agiler internationaler Journalismus: Swissinfo.ch

Ronny Marx und Isabelle Schrills berichteten vom internationalen Relaunch der Plattform swissinfo.ch für zehn Sprachen. Mit einer Architektur aus WordPress VIP, AWS und Multisite lassen sich neue Features und Anpassungen jetzt viel schneller umsetzen. Der Wechsel war nicht nur technisch, sondern ein echter Mindset-Shift hin zu mehr Agilität und Innovationsfreude.

4. Technologische Innovation für das Web von morgen

Der Blick in die Core- und Webtechnologien zeigte viele spannende Neuerungen und Perspektiven.

Moderne Web-APIs im Einsatz

Adam Silverstein von Google stellte eine ganze Reihe moderner Web-APIs vor. Dazu zählen die Popover API, CSS Carousels als leichtgewichtiger Ersatz für JavaScript-Lösungen, Speculative Loading für noch schnellere Navigation und die View Transitions API für sanfte Animationen. KI- und WebAssembly-Lösungen laufen künftig sogar direkt im Browser – ein Vorgeschmack auf die nächsten großen Entwicklungssprünge.

Entscheidungsfindung im Core-Team

Jonathan Desrosiers ermöglichte einen bemerkenswert offenen Einblick in die Entscheidungsprozesse rund um den WordPress Core. Konsens, Transparenz, nachvollziehbare Argumente, die 80/20-Regel und ein ständiges Gleichgewicht aus Risiko und Chance bestimmen jedes neue Release. Besonders beeindruckend: Die Abwärtskompatibilität ist fast schon ein „heiliger Pakt“ zwischen Entwickler*innen und Usern – und hat das weltweite Wachstum von WordPress überhaupt erst möglich gemacht.

Nebenbei verriet Jonathan Desrosiers, dass Core-Entwickler sich oft fragen: „Wird mein Code wordpress.org brechen?“ Wer es sogar schafft, Matt Mullenwegs eigene Seite zu „breaken“, bekommt ein heimliches Ehrenabzeichen.

Unterschiedliche Generationen und Charaktere als Herausforderung

Aleksandra Lemańska ist Kommunikationsexpertin und sprach über Transformation in der Führung in Tech-Umfeldern. Sie berichtete, wie ein junger „Rebell“ ihre Arbeitsanweisung schulterzuckend ablehnte: „Alex, I don’t like a task like that.“ – Ehrliche, direkte Kommunikation, die auch Führungspersönlichkeiten herausfordert. Aleksandra sieht Kommunikation als Prozess und wollte dem Publikum nahebringen, wie typgerechte Ansprache an Teammitglieder das gemeinsame Arbeiten effizienter macht.

Der „Fireside Chat“ mit Mary Hubbard und Matt Mullenweg

Die Abschlussrunde bestand zum einen Teil aus einem Zwiegespräch im Interviewmodus zwischen Mary Hubbard, ihres Zeichens WordPress Executive Director bei WordPress und Matt Mullenweg, Mitbegründer von WordPress, oberster Entwicklungschef und CEO von Automattic Inc., die wordpress.com betreibt und wichtige Plugins wie Jetpack und WooCommerce bereitsstellt. Der andere Teil war eine Frage-Antwort-Runde mit dem Publikum.

Abschluss des WordCamp Europe 2025 in Basel: Mary Hubbard, Executive Director bei WordPress und Matt Mullenweg, Mitbegründer von WordPress beim Fireside Chat
Mary Hubbard, Executive Director bei WordPress und Matt Mullenweg, Mitbegründer von WordPress beim Fireside Chat zum Abschluss der WCEU 2025 in Basel.

Der WordPress-Mitbegründer scherzte anfangs, sein Zeigefinger sei durch das ständig nötige Akzeptieren von Cookie-Bannern in Europa schon richtig kräftig geworden. Als er das autonome Auto „Cruise“ mit einem Fahranfänger verglich, wurde klar: Digitalisierung braucht Humor und Geduld!

Künstliche Intelligenz ist zentral für die Zukunft von WordPress

Auch das wurde in der Abschlussrunde wieder deutlich. KI soll tief in das Projekt integriert werden, um die Sicherheit (z. B. durch Plugin-Scans), die Entwicklerproduktivität und die Inhaltserstellung zu verbessern und neue Schnittstellen wie Chat-Interfaces zu ermöglichen.

Der Fokus bei Beiträgen zum Projekt (Five for the Future) soll sich von Input zu Output verlagern

Statt nur die investierte Zeit zu messen, sollen zukünftig die konkreten Ergebnisse und der tatsächliche Einfluss der Beiträge transparenter gemacht werden, beispielsweise durch Statistiken auf Profilen.

Die Zukunft des Projekts hängt von der Gewinnung junger Talente durch Bildungsprogramme ab

Initiativen wie „WordPress Campus Connect“ und eine neue Partnerschaft mit der Universität von Pisa, bei der Studenten für Beiträge zum Projekt Studienleistungen erhalten, sind entscheidend, um neue Generationen für die Community zu gewinnen.

Die Entwicklungsgeschwindigkeit müsse erhöht und der Fokus stärker auf das Schreiben von Code gelegt werden

Ein Teilnehmer aus dem Publikum rief bei der Abschlussrunde: „Let’s make WordPress sexy again!“ – und sorgte damit für herzhaftes Lachen und viele, die dieser Mission zustimmten. Es sei geplant, hieß es von der Bühne, noch 2025 die Version 6.9 zu veröffentlichen und einen klaren Weg zu Version 7.0 zu definieren, um WordPress „sexy“ zu halten und wettbewerbsfähig zu bleiben.

Das zentralisierte Plugin-Verzeichnis von WordPress.org wird als entscheidender Vorteil für Sicherheit und Vertrauen gesehen

Ein föderierter Plugin-Katalog wie das „Project FAIR“ unter der Flagge der Linux Foundation wird eher kritisch betrachtet, da es Risiken für die Lieferkettensicherheit bergen und wichtige Funktionen wie Statistiken und gestaffelte Rollouts erschweren würde. Eine Teilnehmerin fragte nach Möglichkeiten einer Kooperation.

Im Wettbewerb mit SaaS-Lösungen wie Shopify will WordPress auf die Stärken von Open Source, insbesondere auf Datenportabilität setzen

Neben der Weiterentwicklung von WooCommerce sollen vor allem leistungsfähige Import-Tools für andere Plattformen geschaffen werden, um Nutzern den Wechsel zu WordPress so einfach wie möglich zu machen.

Eine eigene Rechtsform für WordPress in der EU wird derzeit als nicht vorteilhaft erachtet

Statt auf eine eigene Firmierung oder Gründung einer Organisation setzt man auf Partnerschaften mit bestehenden EU-Organisationen und Hosting-Unternehmen, um auf regulatorische Themen zu reagieren, da der administrative Aufwand für eine eigene Entität zu hoch wäre.

Nachhaltigkeit soll als Querschnittsthema in allen Teams verankert statt in einem isolierten Team behandelt werden

Ökologische Nachhaltigkeit ist wichtig, soll aber praktisch in die Arbeit aller Bereiche, wie z. B. die Organisation von WordCamps, einfließen. Diese Aussage war die Reaktion auf eine Publikumsfrage.

Das Management einer Open-Source-Community unterscheidet sich fundamental von der Führung eines Unternehmens

Es basiert auf Konsens und der intrinsischen Motivation der Beitragenden, da Verantwortlichkeit nicht von oben herab durchgesetzt werden könne. Ein Student, der am CERN arbeitet, fragte nach den Unterschieden.

Die technische Infrastruktur für die Community selbst (z. B. für Meetups und WordCamps) muss modernisiert werden

Es gibt einen klaren Bedarf, veraltete oder externe Werkzeuge (meetup.com ist vor einiger Zeit verkauft worden) durch aktiv gepflegte Open-Source-Lösungen zu ersetzen, die von der Community selbst weiterentwickelt werden können.

WordPress zeigt globale Reife und Verantwortung

Das WordCamp Europe 2025 hat gezeigt, wie sehr WordPress heute professionalisiert, diversifiziert und seiner wachsenden Verantwortung gerecht wird. Für NGOs in Krisengebieten ebenso wie für Banken, Medienhäuser und Millionen Entwickler und Entwicklerinnen wie dich ist WordPress Werkzeug und Hoffnungsträger zugleich, um die digitale Welt aktiv, verantwortungsvoll und kreativ mitzugestalten.

WordPress ist heute viel mehr als ein Blogsystem. Mit seiner Offenheit, Innovationskraft und Flexibilität erzeugt die Plattform echten gesellschaftlichen, ökologischen und wirtschaftlichen Impact. Die gezeigten Visionen, Praxisbeispiele und Anekdoten machen Mut zum Weitermachen – mit allen, die an die offene, demokratische Idee „Publishing für alle“ glauben. Das war der Geist des WordCamp Europe 2025.

Deine Perspektive ist uns wichtig!
Wie erlebst du WordPress? Wo entdeckst du Chancen oder Hürden – vielleicht beim Thema Nachhaltigkeit, „sexy User Experience“, Automatisierung oder Enterprise-Sicherheit? Welche Wünsche und Visionen hast du für die nächsten WordCamps?

Wir freuen uns auf deine Gedanken und auf einen regen Austausch – denn gemeinsam gestalten wir WordPress und das Internet stetig besser.

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